
Werkstätten dürfen auf Schadengutachten vertrauen – zwei neue Urteile stärken ihre Position
November 28, 2025Wenn der Versicherer wochenlang schweigt: LG Dessau-Roßlau stärkt Rechte der Unfallgeschädigten
Wer unverschuldet in einen Unfall gerät, hat oft ein Problem: Die Reparatur wäre sofort möglich – aber die Versicherung des Unfallverursachers braucht „etwas länger“ für die Haftungszusage. Viele Geschädigte können die Reparaturkosten jedoch nicht einfach vorstrecken. Die Folge: Das Fahrzeug bleibt stehen, der Nutzungsausfall wächst – und der Versicherer versucht später, genau diesen Schaden kleinzureden.
Ein aktueller Beschluss des Landgerichts Dessau-Roßlau (23.10.2025, Az. 5 S 84/25) zeigt einmal mehr deutlich:
Versicherer können die Verzögerung nicht dem Geschädigten anlasten.
Keine Pflicht zur Vorfinanzierung
Das Gericht stellt klar: Ein Unfallopfer muss die Reparatur nicht vorfinanzieren, weder über einen Kredit noch über die Vollkaskoversicherung. Diese Linie entspricht der aktuellen BGH-Rechtsprechung.
Heißt konkret:
-
Keine Kreditaufnahmepflicht
-
Kein „Kasko in Vorleistung nehmen müssen“
-
Kein Risiko, dass man auf Kosten sitzen bleibt
Solange der Versicherer keine klare Haftungszusage abgegeben hat, muss der Geschädigte keine finanziellen Verpflichtungen eingehen, die er nicht tragen kann.
„Dann treten Sie doch einfach an die Werkstatt ab“ – falsch
Beliebtes Versicherer-Argument:
„Sie hätten die Rechnung einfach an die Werkstatt abtreten können.“
Das LG Dessau-Roßlau lehnt das ab:
Eine solche Abtretung bedeutet fast immer nur eine Zahlung „erfüllungshalber“, nicht „an Erfüllung statt“.
- Der Geschädigte bleibt also weiterhin zahlungspflichtig.
- Genau das wäre wieder eine unzulässige Vorfinanzierung.
Dieses Argument zieht also nicht.
Kein Zwang zu Notreparatur oder Interimsfahrzeug
Versicherer meinen gerne, der Geschädigte habe „doch ein Übergangsfahrzeug kaufen können“ oder eine Notreparatur durchführen müssen.
Das Gericht sieht das anders:
Der Geschädigte konnte zu Beginn gar nicht wissen, dass die Versicherung über Wochen oder gar Monate untätig bleiben würde.
- Keine Pflicht zu Notmaßnahmen
- Keine Pflicht zu Ersatzkäufen
- Keine Pflicht zu spekulativen Ausgaben
Braucht es überhaupt noch eine „Warnung“ an den Versicherer?
Interessanter Hinweis aus dem Beschluss:
Das Gericht hält es für fraglich, ob man Versicherer heute überhaupt noch warnen muss („Ich kann nicht vorfinanzieren“).
Denn: Der BGH sieht eine Vorleistungspflicht nur als absolute Ausnahme.
Doch selbst wenn man eine Warnpflicht annehmen wollte:
Der Versicherer konnte nicht einmal darlegen, dass er nach einer solchen Information schneller reguliert hätte.
Fazit für Unfallgeschädigte
Wenn die Versicherung trödelt, muss der Geschädigte das nicht mit eigenen Mitteln ausgleichen.
Die Folge sind oft lange Reparaturverzögerungen – aber die dadurch entstehenden Nutzungsausfallschäden sind voll erstattungsfähig.
Für Verbraucher bedeutet das:
-
Keine Vorfinanzierungspflicht
-
Keine Kreditaufnahme
-
Keine Notlösungen
-
Nutzungsausfallschaden bleibt ersatzfähig
-
Versicherer müssen sich eigenes Zögern zurechnen lassen



